Ein Anwendungsbeispiel

Das Problem:
SchlitzpassAlle Regelwerke fordern mit dem Hinweis auf das Wanderbedürfnis sohlengebunden wandernder Lebewesen den Einbau von Sediment in Fischaufstiegsanlagen, ohne diese Anforderung jedoch näher zu spezifizieren. Allgemein wird lediglich gefordert, dass sich hinter einem Stein eine strömungsberuhigte Zone ausbilden sollte, die im Allgemeinen als "Strömungsschatten" bezeichnet wird. Präzise Angaben wie hoch Steine die Sedimentschicht überragen müssen, um Strömungsschatten ausreichender Dimension für Fische zu erzeugen und in welcher Dichte solche Stützsteine gesetzt sein müssen, existierten nicht.
Gemäß der ethohydraulischen Methodenphilosophie nach ADAM & LEHMANN (2010) wurden für die Beantwortung der Fragestellung folgende Schritte durchgeführt:

 

1. Präprozess/Voranalyse
Da in dem bis dato verfügbaren Regelwerk lediglich der Einbau einer mindestens 0,2 m dicken, erosionsstabilen Schicht möglichst gewässertypischer Grobsubstrate variabler Körnung empfohlen wurde (DVWK 1996), wurden die Präferenz von Fischen gegenüber drei verschiedene Rauheitstypen ethohydraulisch getestet.

Rauheitstyp

Die drei Rauheitstypen wurden in unterschiedlicher Abfolge in den 20 m langen und 2 m breiten Versuchsstand am wasserbaulichen Versuchslabor des Karlsruher Instituts für Technologie eingebaut:

Abfolge

49 Fische aus 11 Arten mit Totallängen von 8 bis 26 cm wurden in 30-minütigen Tests den verschiedenen Setups ausgesetzt. Die mittlere Fließgeschwindigkeit in der Laborrinne betrugen dabei maximal 0,9 m/s; viele Tests wurden allerdings bei einer für Fischaufstiegsanlagen empfohlenen mittleren Fließgeschwindigkeit von 0,5 m/s durchgeführt.

2. Ethohydraulische Verhaltensbeobachtungen
Die Probanden hielten sich ausschließlich im Kompartiment mit der geringsten Rauheit gemäß Typ A auf, während sie die Rauheitstypen B und C vor allem ab einer mittleren Fließgeschwindigkeit über 0,3 m/s strikt mieden. Dieser Befund war unabhängig von der Einbauabfolge der verschiedenen Rauheitstypen reproduzierbar.

Rauheitstyp Abb.01 & 02: Während Rauheitstyp C gemieden wird, verweilen Fische bevorzugt im Kompartiment mit dem Rauheitstyp A

Die Messungen der hydraulischen Signaturen in den verschiedenen Rauheitstypen mit einem ADV zeigten, dass sich an den Konturen der Stützsteine Wirbelstraßen ablösen. Je dichter Stützsteine sitzen, je höher diese Elemente die Sohle überragen und je höher die Anströmgeschwindigkeit der Rauheitselemente ist, desto turbulentere Verhältnisse prägen sich aus. Diesen weichen die Fische aus und ziehen sich bevorzugt in Abschnitte mit weniger prominenten Strukturen zurück, wo vergleichsweise geringe Turbulenzen herrschen.

Fadenharfe Abb.03 & 04: Die Fadenharfe zeigt die Strömungsverhältnisse in unterschiedlichen Rauheiten (Typ A links, Typ C rechts): Zwischen schütter sitzenden Stützsteinen geringer Höhe herrschen moderate Turbulenzen, während sich die Wirbelstraßen hoher Stützsteine bei dichter Packung überlagern

3. Transferprozess
Entsprechend der ethohydraulischen Ergebnisse lassen sich folgende konstruktiven Regeln zum Aufbau der Sohle in einer Fischaufstiegsanlage ableiten, die in das überarbeitete und erweiterte Regelwerk "DWA M-509: Fischaufstiegsanlagen - Bemessung, Gestaltung Qualitätssicherung" eingeflossen sind: Die Höhe der aus dem Sohlenniveau herausragenden Stützsteine sollte maximal 15 cm und der Abstand zwischen Stützsteinen etwa 15 bis 20 cm betragen. Die Dichte solcher Stützsteine sollte 5 Steine pro Quadratmeter nicht überschreiten.

Anwendungsbeispiel Sohle Abb.05: Korrekter Aufbau der Sohle einer Fischaufstiegsanlage